Electronic Mall: Banking und Shopping in globalen Netzen

Kapitel III:
Elektronische Informationsdienste: Zukunftsweisende Konzepte und prototypische Umsetzung im Bankenbereich

Richard Dratva

2.3 Die Kategorien der elektronischen Informationen

2.3.5 Marktplatz-Informations-Dienstleistungen

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Bild III-5: Beispiele von Marktplatz-Informations-Dienstleistungen

Marktplatz-Informations-Dienstleistungen erlauben eine sehr hohe Dynamik zwischen den Teilnehmern. Anbieter, die Marktplatz-Services zur Verfügung stellen, profitieren sehr oft von den Informations-Beiträgen der ursprünglichen Informationsbezüger, die in diesem Fall vielfach zu Informationslieferanten werden.

Desktop-Teleconferencing wird auch beim privaten Kunden umso aktueller, je schneller die Übertragungsmedien werden (z.B. interaktives Kabelfernsehen) und je höher der Verbreitungsgrad von Videokameras und multimedia-fähigen Endgeräten beim Kunden wird. Auf diese Weise können "höhere" und beratungsintensive Dienstleistungen erbracht werden.

Multichatting bedeutet, dass mehrere Teilnehmer gleichzeitig und parallel elektronische Informationen austauschen. Dies ist die textorientierte Variante von Teleconferencing.

MUDs sind "Multi User Dimensions/Dungeons", die zu virtuellen Gemeinschaftsaktivitäten oder Gemeinschafts-Rollenspielen benutzt werden. Es ist eine besondere Spielart von Multichatting. Jeder Teilnehmer übernimmt dabei eine spezifische Rolle, die er nach seinem Gutdünken interpretieren und ausbauen kann.

Im Bankenbereich könnte man sich dabei z.B. Beratungsaktivitäten in Gruppenform vorstellen, in der die Teilnehmer verschiedene Rollen übernehmen oder virtuelle Spielwelten, in denen sich der Kunde virtuell mit neuen Bank-Dienstleistungen auseinandersetzen muss und so diese kennenlernt oder seine Meinung zum Produkt in spielerischer Form abgibt.

Der Phantasie sind in diesem Bereich keine Grenzen gesetzt. Die Grundausstattung der virtuellen Welten ist dabei, je nach den verfügbaren technologischen Möglichkeiten der Teilnehmer, entsprechend wirklichkeitsnah oder lediglich durch Texte beschrieben.

BBS (Bulletin Board Systems), auch "Schwarze Bretter" genannt, stehen in enger Verwandtschaft mit elektronischen Mitteilungssystemen und können als elektronische Diskussionsplattformen bezeichnet werden. Sie sind ein Hauptpfeiler des "n:m" Informationsaustausches. Im Gegensatz zum individuellen elektronischen "Postfach" werden die Mitteilungen in Speicherbereichen abgelegt, auf die alle oder Gruppen von Teilnehmern lesend und in diesem Fall schreibend zugreifen können. Mehrere Bedürfnisse werden dabei abgedeckt [Fiedler/Oppenhorst 89, S.156]:

Mittels BBS können auf geeignete Weise Informationen verbreitet werden, die auf herkömmliche Art kaum eine vergleichbar grosse Zahl von Adressaten erreichen würden.

Da eine unbestimmte Zahl von fachlich qualifizierten Teilnehmern im Normalfall ohne nennenswerte Zeitverzögerung Informationen aktiv austauschen kann, wird die Möglichkeit eröffnet, den eigenen Wissensstand mit dem anderer abzugleichen und so Ergebnisse oder unsichere Informationen zu verifizieren oder neue zu erarbeiten.

BBS können für verschiedene Informationsbereiche die Lücke zwischen Online-Datenbanken und Realtime-Informationssystemen füllen: Von einer Datenbank erwartet man gesicherte, qualitativ hochwertige Informationen, die allerdings nur nach einer gewissen Vorlaufzeit erhalten werden können (Aktualisierungsproblem). Realtime-Informationssysteme können hochaktuelle Informationen bieten, die günstigstenfalls effektiv realtime aktualisiert werden. Diese Form von Informationsverbreitung ist allerdings meist technisch aufwendig und vor allem kostenintensiv. Informationen aus BBS verfügen vielfach über eine hohe Aktualität und sind meist auch vergleichsweise kostengünstig. Dabei muss aber in Kauf genommen werden, dass man nicht immer zur benötigten Information gelangt.

In vielen Fällen ist die Möglichkeit des Kunden, eigene Beiträge zu liefern, eingeschränkt. Sogenannte "BBS-Moderatoren" filtern vielfach die Beiträge vor, um die schwarzen Bretter entweder vor sachfremden Beiträgen zu schützen oder um diese nicht zu stark anwachsen zu lassen. Diese Filtrierfunktion ist insofern problematisch, als dass sie sehr schnell mit Zensur in Zusammenhang gebracht wird. Juristische Streitereien zwischen BBS-Anbietern und den lesenden oder schreibenden Teilnehmern sind daher wohl vorprogrammiert und bereits auch Tatsache[4].

Zur Verdeutlichung der Dimensionen grosser BBS können die USENET News dienen [Tanenbaum 89, S. 40ff.; Fiedler/Oppenhorst 89, S. 156]. USENET (User's Network) ist ein internationales System, das im technisch-wissenschaftlichen Bereich begonnen hat und mittlerweile alle Lebensbereiche umfasst, was sicherlich zu seiner grossen Benutzungssteigerung beigetragen hat. Die USENET News sind ein verteiltes BBS, in welchem die Themen netzweit diskutiert werden. Für jeden Themenbereich existiert in der Regel eine eigene, sogenannte Newsgroup, die man abonnieren kann. Im Unterschied zum Zeitschriftenartikel steht es hier jedoch jedem Benutzer frei, selbst "Artikel" (meist Texte, aber auch Grafiken, Bilder oder Bewegtbilder) zu verfassen, und in die thematisch einschlägige Gruppe einzutragen. Sofern der Autor nichts anderes festgelegt hat, oder die von ihm gewählte Gruppe nur mit regionaler oder anderer Beschränkung abonniert werden kann, wird ein so verfasster Beitrag weltweit verbreitet und gelesen[5].

BBS eignen sich hervorragend für den Informationsaustausch zwischen Informationslieferanten und den Endbezügern sowie für den gegenseitigen Informationsaustausch der Endbezüger. Finanzanbieter können von sich aus BBS zu Themen anbieten, die für sie von Interesse sind und zu denen sie gerne die Meinungen der Kundschaft erfahren möchten. Sie können auch lediglich die Diskussionsthemen und -beiträge der Kunden beobachten und daraus z.B. Rückschlüsse auf Produktanpassungen oder Schwachstellen des eigenen Informationsangebotes ziehen.

Die Erfahrung zeigt, dass BBS besonders dann Dynamik entfalten, wenn auf alle Beiträge innerhalb von relativ kurzer Zeit Antworten gegeben werden. Zur Dynamisierung können deshalb Finanzanbieter die BBS von Spezialisten aus ihrem Hause betreuen lassen, die dafür sorgen, dass z.B. auf falsche Antworten der Teilnehmer Berichtigungen gemacht werden und die selber ihr Wissen der grossen Leserschaft[6] zur Verfügung stellen.

Ein interessantes Phänomen in diesem Bereich ist, dass eine Trennung zwischen Informationsanbieter und Informationsempfänger immer schwieriger wird. Führt man eine Analogie zur herkömmlichen Informationsvermittlung, so bedeutet dies, dass die Leser zu Autoren werden: Sind diese "aktiven" Kunden trotzdem noch bereit, für Dienstleistungen, an denen sie mitarbeiten, zu bezahlen? Erste Erfahrungen (z.B. gibt die Patricia Seybold Group ihre "Notes on Information Technology" in elektronischer Zusammenarbeit mit den Abonnenten des Newsletters heraus) haben gezeigt, dass dies immer noch der Fall ist, da sie für die Plattform des Informationsaustausches zu zahlen bereit sind, obwohl sie an der Erstellung des gekauften Produktes mitarbeiten[7].

Weitet man den BBS-Begriff aus, so ergeben sich zusätzliche Möglichkeiten wie z.B. elektronisch durchgeführte Kongresse oder Workshops an denen die Teilnehmer zeitverschoben Beiträge elektronisch abliefern, diese Beiträge diskutieren und bewerten. Im Bankenbereich kann man sich durchaus Workshops zwischen Bankmitarbeitern und Kunden zu gewissen Themen vorstellen.

Im Intra-Organisations-Bereich wird diese Art der elektronischen Zusammenarbeit mit den Begriffen Groupware, Workgroup Computing oder CSCW (Computer Supported Cooperative Work) abgedeckt.

List-Server (oder Mailing-Lists) sind eine eingeschränktere und primitivere Art von BBS. Ein Teilnehmer kann sich bei einem Moderator auf die Liste setzen lassen und erhält danach die Beiträge aller Listenteilnehmer in seine Mailbox. Jeder, der einen Beitrag verfasst, muss diesen an den Moderator senden, damit dieser ihn an alle weiterverteilt. Moderatoren können die Beiträge auch während einiger Zeit sammeln und nur periodisch eine verarbeitete Zusammenfassung ("Digest") an die Teilnehmer der Liste zusenden.

Themen, die zu spezifisch für öffentliche BBS sind, oder Themen, welche die Teilnehmer nicht öffentlich diskutieren wollen, sind für diese Form der Informationsvermittlung passend. Es gibt auch Varianten von Mailing-Lists, bei denen nur der Moderator die Verfasser der Beiträge kennt. Die Listen-Teilnehmer erhalten die Beiträge ohne Autorennamen, was insbesonders bei der Diskussion von heiklen Themen vorteilhaft sein kann.

Literaturverzeichnis


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Aktualisiert am 16. Februar 1996; Kommentare an emall@obs-us.com.