Electronic Mall: Banking und Shopping in globalen Netzen

1 Einführung

1.1 Problemstellung

Auf dem Weg in die Informationsgesellschaft werden die Beziehungen zwischen Wirtschaftssubjekten zunehmend von der Informations- und Kommunikationstechnik beeinflusst und getrieben. Das Thema des elektronischen Handels in elektronischen Märkten ist hochaktuell(z.B.[Ausgewählte Electronic Commerce-Links]). Die Etablierung elektronischer Marktplätze im kommerziellen Bereich schreitet zügig voran, entsprechende Infrastrukturen bestehen bereits und werden weiter ausgebaut (z.B. Electronic Mall Bodensee). Der elektronische Austausch von Geschäftsdokumenten mittels EDI (Electronic Data Interchange) ist für viele Unternehmen bereits eine Selbstverständlichkeit und findet zunehmende Verbreitung.

Bisher kaum berücksichtigt werden in diesen elektronischen Kreisläufen die privaten Haushalte als Endkunden und Marktteilnehmer. Da diese im Marktgeschehen eine wichtige Rolle spielen, ist es eine logische Folge, auch sie in den elektronischen Handel einzubinden.

Die Möglichkeiten der neuen Telekommunikationsinfrastrukturen und damit die Ausbreitung von Telematikanwendungen bedeutet für die gesamte Wirtschaft eine notwendige Neuorientierung und die Redefinition von Geschäfstfeldern und -prozessen. Dies betrifft sowohl unternehmensinterne als auch die interorganisatorischen Strukturen und Abläufe und damit auch die kommerziellen und privaten Marktpartner der Unternehmen (vgl. z.B. [Bradley 94]).

Auch die gegenwärtige Situation im Bereich der Finanzdienstleistungsunternehmen ist durch starke Veränderungen gekennzeichnet. Strukturelle Marktveränderungen sind, neben dem technischen Fortschritt auf dem Gebiet der Telematik, wesentliche treibende Kräfte. Die Vertriebswege von Finanzdienstleistern und damit die Beziehung zu Kunden werden zunehmend von der (Kommunikations-) Technik getrieben.

Die meisten der gegenwärtig in Europa angebotenen Tele- bzw. Homebanking-Systeme für den Retailkunden basieren auf dem Dienst Videotex (vgl. Kap. VII, 2). Telebanking ist die mit Abstand am häufigsten genutzte Kategorie von Anwendungen. Anwendungen aus anderen Bereichen haben bzgl. der Nutzung durch die Kunden eine nachrangige Bedeutung. Die angestrebte Rationalisierung des Zahlungsverkehrs im Segment der Retailkunden mit Hilfe von Telebanking-Anwendungen wird allerdings bisher nur unzureichend erreicht.

Veränderte Rahmenbedingungen, insbesondere der Kostendruck bei den Banken, die technische Ausrüstung der Haushalte, das Akzeptanzverhalten der Haushalte gegenüber telematischen Anwendungen, die Entwicklungen in der Telematik, die Etablierung von EDI im kommerziellen Bereich sowie die Konkurrenz durch ausländische Telematikdienste, wie z.B. die Internet- oder amerikanischen Online-Dienste, zwingen zum Handeln.

Ein zukünftiges modernes, interaktives Telematiksystem als Basis eines virtuellen Warenhauses, der Electronic Mall, muss

Die aktuellen und zukünftigen Entwicklungen in Europa müssen auch vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklungen betrachtet werden. In den USA beispielsweise wird im Regierungsprogramm National Information Infrastructure(NII) die Vision des Information Highway aufgezeigt. Man plant die totale Vernetzung der USA im positiven Sinn unter Einbeziehung aller Bürger. Wesentliche Zielsetzungen sind u.a. die technologische Führerschaft der USA, die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und die Verbesserung des allgemeinen Wohlstandes [White House 93]. Viele, vor allem privatwirtschaftliche Initiativen, betreffen die Anwendungen im (in den USA sehr weit gefassten) Bereich Unterhaltung [Mandel 94]. Von Regierungsseite wird beispielsweise ein Programm zur Etablierung eines elektronischen Marktes für das staatliche Beschaffungswesen unterstützt und gefördert. Eckpunkte in diesem Vorhaben, das bereits 1995 operativ werden soll, sind der standardisierte, elektronische Dokumentenaustausch (EDI) sowie die standardisierte Zahlungsabwicklung [ECAT 94][ECAT, now Federal Electronic Commerce Acquisition Program Management Office (ECAPMO) ].

Ähnliche Programme für nationale Informationsinfrastrukturen bestehen auch z.B. in Kanada, Japan, Singapur oder Australien. Die Europäische Union hat 1994 den Bangemann-Report veröffentlicht, der unter dem Titel "Europe and the global information society" Empfehlungen für die Ausgestaltung einer europäischen Telekommunikationsinfrastruktur enthält. Im Rahmen des 4. Forschungsrahmenprogrammes der Europäischen Union (1994-1988) werden anwendungsorientierte Forschungsprojekte aus unterschiedlichen Bereichen mit einen Gesamtbudget von 12.300 Mio ECU gefördert ["Research and Technological Development " in der Europäischen Union].

1.2 Zielsetzungen

Im vorliegenden Kapitel wird ein Konzept zur Gestaltung eines innovativen und zukunftsoffenen Telematiksystems für das Segment der Privatkunden und kleineren Firmenkunden als Basis zur Realisierung einer Electronic Mall entwickelt.

In ein solches System muss Telebanking als ein wesentlicher Bestandteil eingebettet werden. Die Aussage "The Bank should never sell home banking as a stand-alone system" [Chorafas 87, S. 38] bekräftigt dies und widerspiegelt die in den USA in den letzten zwei Jahrzehnten gemachten Erfahrungen (vgl. z.B. [Sellers 94], [ABA 90], [Thacker 90]). Insbesondere die Zahlungsverkehrsabwicklung im Rahmen von Telebanking bildet eine wichtige Grundlage aller weiteren transaktionsbezogenen Anwendungen in einer Electronic Mall, wie z.B. Shopping- oder Entertainment-Anwendungen. Banking-Aspekte stehen deswegen zunächst im Mittelpunkt der Betrachtungen, ohne dass aber der übergeordnete Fokus ausser acht gelassen wird.

Den Kerngedanken bildet die Konzeption eines Architekturkonzeptes einer (weitgehend) standardisierten elektronischen Plattform als Grundlage einer Electronic Mall, wie sie in Kapitel I beschrieben wird. Diese Plattform steht allen interessierten Anbietern und Nachfragern zur Verfügung und stellt eine Infrastruktur bereit, die nicht Mittel im Wettbewerb zwischen den Marktpartnern sein soll. Über diese Infrastruktur ist der Nutzer in der Lage, die Angebote des virtuellen Warenhauses von seinem Standort aus (Zu Hause, Büro, etc.) zu nutzen.

Bei dem zu gestaltenden System handelt es sich um ein Interorganisationssystem (IOS), das sich durch bestimmte Attribute von bisher vor allem im kommerziellen Bereich vorzufindenden IOS und konkreten Ausprägungen von elektronischen Märkten (EM) unterscheidet. Clarke bezeichnet diese Form von IOS als Extra Organisational Systems¸ die vor allem durch eine heterogene Struktur der Teilnehmer (z.B. Grossunternehmen, KMU, Haushalte) gekennzeichnet sind [Clarke 92]. Typische Systeme sind hier Telebanking- oder Teleshopping-Systeme.

Wir bezeichnen solche telematischen Systeme als interaktive Telematiksysteme für den Heimbereich (Home Oriented Interactive Telematic Systems, HITS). Kennzeichnend ist, dass ein solches System die Interaktion zwischen den Kunden und anderen Marktpartnern mit Hilfe telematischer Mittel ermöglicht und unterstützt, d.h. eine bidirektionale Kommunikation zwischen räumlich entfernten Partnern möglich ist.


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Aktualisiert am 16. Februar 1996; Kommentare an emall@obs-us.com.